Remmer Ulla
Recordings from Prisoner-of-War Camps, World War I
Russian - Ukrainian Recordings
Herausgegeben von Christian Liebl, Herausgegeben von Gerda Lechleitner
Reihe: Gesamtausgabe der Historischen Bestände 1899-1950, Tondokumente des PhonogrammarchivsDer Ausbruch des Ersten Weltkriegs schränkte ‚klassische‘ phonographische Feldforschungen massiv ein. Zugleich jedoch erkannte Rudolf Pöch, Professor für Anthropologie und Ethnographie an der Universität Wien, in der Kriegssituation „eine noch nie dagewesene (…) Gelegenheit für die wissenschaftliche Forschung“. Diese nutzte er gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Robert Lach, um vor allem in den k. u. k. Kriegsgefangenenlagern von Eger (Cheb), Reichenberg (Liberec) und Theresienstadt (Terezín) in Böhmen umfangreiche Sprach- und Musikaufnahmen „nahezu sämtlicher Völkerschaften des europäischen und asiatischen Rußland“ zu machen. Die rund 200 Phonogramme entstanden im Kontext eines weiter reichenden Projekts der Anthropologischen Gesellschaft und mit finanzieller Unterstützung durch die kaiserliche Akademie der Wissenschaften. Neben Zeugnissen zahlreicher Minderheitensprachen finden sich auf diesen noch heute im Phonogrammarchiv verwahrten Aufnahmen auch bisher unbekannte kritische Kommentare der unter tragischen Bedingungen beforschten Kriegsgefangenen. Dies unterstreicht das enorme Potential von historischen Tonaufnahmen als Quellen für die heutige Forschung. Hundert Jahre nach ihrer Entstehung wurden die Aufnahmen – vor allem im Rahmen des Projekts „Displaced Voices“ (gefördert vom Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank, Projekt Nr. 15848) – im Phonogrammarchiv digitalisiert und in Kooperation mit internationalen Fachleuten wissenschaftlich kommentiert. Die Edition umfasst neben den Audio-CDs mit den signalverbesserten Phonogrammaufnahmen jeweils eine Daten-CD mit Scans der originalen Aufnahmeprotokolle, Orientierungstranskriptionen sowie umfangreichen Informationen über das Zustandekommen der Aufnahmen, die Forscher und den wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund. Außerdem erläutern Kommentare den Stellenwert der historischen Aufnahmen aus heutiger Sicht. Die englischsprachige Publikation bildet somit einen wichtigen Beitrag im Diskurs zu „Forschung im Krieg“ und wirft ein neues Licht auf diese dunkle Zeit.