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Herta Hammerbacher (1900-1985)

Virtuosin der Neuen Landschaftlichkeit - Der Garten als Paradigma

Reihe:

Herta Hammerbacher (1900-1985)
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Herta Hammerbacher (1900-1985) zählt zu den erfolgreichsten Garten- und Landschaftsarchitekten des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Sie entscheidet sich 18jährig bewusst für diesen Beruf aus der klaren Motivation heraus, ein Maximum an geistiger Leistung zu erreichen. Zeit ihres Lebens versucht sie Kunst, Wissenschaft, Technologie und Philosophie zu vereinen. Ihre größte Intention bestand darin, wissenschaftliche und philosophische Grundlagen der Gartengestaltung und Erkenntnisse zu formulieren und in Kunst zu erhöhen.
In den 30er Jahren setzt sie sich als Frau in einer männlich dominierten Berufswelt durch, es gelingt ihr in der Arbeitsgemeinschaft mit Karl Foerster und Hermann Mattern einen neuen, landschaftlich geprägten Gartenstil, den “Bornimer-Stil” herauszubilden, dessen fachlicher Einfluss noch heute spürbar ist. Hammerbacher erarbeitet nicht nur die theoretisch-philosophischen Grundlagen der neuen Landschaftlichkeit, sie realisiert eine nahezu beispiellose Anzahl (ca. 3000) an Garten- und Landschaftsobjekten konsequent nach diesem Gartenkonzept. Auf diese Weise trägt sie entscheidend zur Gründung und Fortführung der Schule des landschaftlichen Gartens bis zumindest Ende der 60er Jahre bei.
In der Nachkriegszeit engagiert sie sich stark für die Akademisierung der Garten- und Landschaftsgestaltung, beginnt selbst eine wissenschaftliche Karriere parallel zur Ausübung ihrer Tätigkeit als Garten- und Landschaftsarchitektin und avanciert zur ersten Professorin, später zum ersten weiblichen Ordinarius an der Technischen Universität Berlin.
In ihrer 20jährigen Lehre vertritt sie ihre Theorie der Landschaftsplanung als Grundlage jeder Stadt- und Landesentwicklung, proklamiert das konzeptionelle Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen, Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung , erarbeitet in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Fachnormausschusses für Bauwesen die landschaftsplanerischen Grundlagen des Bundesbaugesetzbuches. Gleichzeitig setzt sie sich mit der Theorie und Geschichte der Garten- und Landschaftsgestaltung auseinander, fasst die Gartenkunstgeschichte des 20 Jahrhunderts als Antagonismus zwischen Landschaftlichem und Architektonischem auf. Sie bezieht eindeutige Position für den landschaftlichen Garten.
Als Gartenkünstlerin gestaltet Hammerbacher ihre Gärten und Landschaften aus zwei klar erkennbaren Motivationen: der Suche nach Ursprünglichem, d. h. Wesenhaftem und dem Streben nach Harmonie. Daraus entwickelt und determiniert sie den landschaftlichen Garten im 20. Jahrhundert, in dem die Mensch-Natur Beziehung humanistisch-individualistisch neu definiert wird, in der sich die Idee des Wohngartens begründet. Sie bleibt diesem Stil und ihrer tiefen Überzeugung, bis zuletzt verpflichtet, sieht darin die einzig mögliche, verantwortungsbewusste Umgangsform mit der Natur und im besonderen mit dem Menschen selbst. Ihr Leitgedanke der Synthese von Mensch und Natur basiert auf der Erkenntnis gegenseitiger Abhängigkeit. Hierin unterscheidet sich “der landschaftliche Garten” Hammerbachers sowohl vom “Landschaftsgarten” der Romantik, als auch vom eindimensionalen “Deutschen Traum” des Landschaftsideals im Nationalsozialismus.
Hammerbachers landschaftlicher Garten erreicht in den 50er und 60er Jahren seinen künstlerischen Höhepunkt. Sie entwirft Meisterwerke, die heute als Gartendenkmäler unter Schutz stehen. Bisher weitgehend unaufgearbeitet ist die Entwicklung des “Bornimer-Kreises” im Nationalsozialismus. Paradoxerweise und zugleich folgerichtig wird der landschaftliche Garten aufgrund der konzeptionellen Nähe zum bodenständigen Garten aber auch aufgrund der personellen Verflechtungen im Nationalsozialismus nicht nur ungestört weiterentwickelt, er erfährt gar europaweite Anerkennung, überdauert den gesellschaftspolitischen Umbruch nach dem zweiten Weltkrieg, indem die Vertreter des landschaftlichen Stils die fachliche Führung in der Nachkriegszeit bis Ende der 60er Jahre innehaben.
Das unüberwindbare Schuld- und Verantwortungsbewusstsein Hammerbachers nach dem Krieg lässt sie zunehmend Zuflucht in der Utopie suchen, einem auf Ursprung und Ideal fixierten Weltbild. Sie kann nur im landschaftlichen Garten das Idealtypische sehen, da sie u. a. den architektonischen Garten als den Herrschaftsstil, d.h. den vom Nationalsozialismus zudiktierten Stil deklariert. Sie verstrickt sich im Verlauf der Zeit immer tiefer in dieses selbst erschaffene polarisierende Muster, so dass sie sich die Chance verwehrt, die sich wandelnde Zeit in ihrer Weltanschauung zu reflektieren und daraus folgernd gestalterische und planerische Lösungen zu finden, wenn ihr dogmatisiertes landschaftliches Prinzip nicht anwendbar erscheint. Ihre zeitlosen aber einseitig philosophisch orientierten Argumente sind in der Ende der 60er Jahre einsetzenden Planungsdiskussion insofern nicht wahrnehmbar, als die notwendigen, handfesten Lösungsvorschläge fehlen.
Klärungsbedürftig ist die Frage, ob der landschaftliche Garten gegen Ende des Jahrhunderts endgültig zerfallen ist, oder ob Idee in anderer Form überdauert hat. Wünschenswert wäre eine Fortschreibung der Entwicklungsgeschichte der Garten- und Landschaftsgestaltung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um solche Fragen zu klären.