Frieder Krauß

Kafka und das Kafkaeske

Lektüren aus rezeptionstheoretischer Sicht (Die Sorge des Hausvaters; Der Proceß; Das Schloß; Der Verschollene)

Reihe:

Kafka und das Kafkaeske
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Analysegegenstand in „Kafka und das Kafkaeske“ ist das spezielle Leseerlebnis, das sich bei der Rezeption von Erzähltexten Kafkas im Zusammenspiel von Bottom-Up- und Top-Down-Prozessen ergibt. Anhand von Kafkas Romanfragmenten und der Erzählung „Die Sorge des Hausvaters“ werden autorentypische Textphänomene aufgezeigt. Die
spezielle Wirkung dieser kafkaesken Besonderheiten auf Leser wird vor allem mithilfe der Leerstellentheorie und der Schematheorie untersucht und greifbar gemacht. Im Vergleich der Romane wartet „Der Verschollene“ mit deutlich weniger kafkatypischen, also kafkaesken, Besonderheiten auf, als „Das Schloß“. Es ist außerdem anhand einzelner inhaltlich einander ähnelnden Passagen nachweisbar, dass die Erzählinstanzen der einzelnen Romanfragmente immer besser darin werden, leserseitige Sinnstiftung zu erschweren. Diese Schwierigkeiten in der Sinnkonstruktion ergeben sich für Leser auf der Ebene des Situationsmodells: Die Schilderungen über das innerhalb der Erzählung Gegebene lassen sich nicht mit den Schemata in Einklang bringen, die sich Menschen im Laufe ihres Lebens auf Grund ihrer gemachten Erfahrungen aneignen. Der üblicherweise beim Lesen eines Texts mehr oder weniger automatisch ablaufende Verstehensprozess wird wegen Überforderung der Schemata des Lesers durch die Erzählinstanz deautomatisiert; je nach Text im Großen und Ganzen durch Leerstellen mit besonderem Offenheitspotenzial oder eher in einzelnen Details. Diese spezifische Qualität der Texte Kafkas ist die Grundlage für den Begriff des „Kafkaesken“, der sich mittlerweile popkulturell verselbständigt zu haben scheint.