Eva Bahl
Verflochtene Geschichten im postkolonialen Grenzraum
Biographien, Zugehörigkeiten und Erinnerungspraktiken in Ceuta und Melilla
Auf der ganzen Welt sind Grenzen sowohl Orte der Trennung, Unterscheidung und Gewalt als auch der Begegnung, der Mobilität und des Alltäglichen. Dies gilt besonders für die Außengrenzen der Europäischen Union. Ceuta und Melilla, zwei Städte in Nordafrika, sind seit dem EG-Beitritt Spaniens im Jahr 1986 zu einer solchen Außengrenze geworden und die sie umgebenden sechs Meter hohen Zäune haben sich zu einem Sinnbild für die „Festung Europa“ entwickelt. Aber was bedeutet das für die Menschen, die an einem solchen Ort leben? Wie erleben sie den Alltag in einer „Käfigstadt“ und welche Sinndeutungen sind mit ihrem Leben an der Grenze verbunden? Die vorliegende soziologische Forschungsarbeit fokussiert die Figurationen zwischen längerfristig im spanisch-marokkanischen Grenzraum ansässigen Gruppierungen und rekonstruiert einen postkolonialen Grenzraum in Wandlungsprozessen. Diese sind begleitet von langsam sich verändernden Machtbalancen, in denen Zugehörigkeiten und Geschichtsbilder stetig ausgehandelt werden. In dieser Studie werden verschiedene Akteur*innen im Grenzraum aus figurations- und gedächtnissoziologischen sowie biographietheoretischen Perspektiven untersucht. Durch vier detaillierte Fallanalysen wird die Komplexität der Lebensrealitäten der Lokalbevölkerung dargestellt. Die Einbettung in historische und gegenwärtige gesellschaftliche Konstellationen im spanisch-marokkanischen Grenzraum macht zudem deutlich, dass sowohl die Zugehörigkeitskonstruktionen als auch die Mächteverhältnisse in Ceuta und Melilla nur im Kontext kolonialer und postkolonialer Prozesse und Ereignisse zu verstehen sind.