Sophie Charlotte Oerke

Art. 15 GG als kollektives Verfassungsrecht

Zur notwendigen Ausgestaltung kollektiver Entscheidungsstrukturen in einem Sozialisierungsgesetz

Reihe:

Art. 15 GG als kollektives Verfassungsrecht
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Die Dissertation untersucht Artikel 15 GG, der es ermöglicht, Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel durch Gesetz in Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft zu überführen. Obwohl die Sozialisierung seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bisher noch nicht umgesetzt wurde, gewinnt sie in Zeiten sozialer und wirtschaftlicher Krisen wieder an Aktualität, zuletzt deutlich sichtbar durch die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, die Wohnungsbestände in Berlin in Gemeineigentum überführen möchte. Die Sozialisierungsnorm kann einerseits nicht in die herkömmlichen Verfassungsnormkategorien der Grundrechte, Staatszielbestimmungen oder Einrichtungsgarantien eingeordnet werden, ist andererseits aber mehr als eine bloße Ermächtigungsgrundlage: Artikel 15 GG ist dogmatisch als „kollektives Verfassungsrecht sui generis“ zu kategorisieren. Dies hat Folgen für die Umsetzung durch ein Sozialisierungsgesetz – etwa für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und für die Sozialisierungsentschädigung. Aus der dogmatischen Einordnung sowie aus dem Begriff der Gemeinwirtschaft folgt außerdem, dass kollektive Eigentumsformen auch kollektive Entscheidungsstrukturen erfordern, die in einem Sozialisierungsgesetz zwingend auszugestalten sind, um eine Teilhabe der Allgemeinheit an Eigentumsbefugnissen sicherzustellen. Dementsprechend wird in der Arbeit auch der Frage nachgegangen, inwiefern sich aus dem Demokratieprinzip Anforderungen an eine demokratische Legitimation der Entscheidungsberechtigten innerhalb des Rechtsträgers des Kollektiveigentums ergeben. Anhand der Struktur der Sozialisierungsnorm wird deutlich, dass die Rechtsträger von sozialisiertem Eigentum der funktionalen Selbstverwaltung zuzuordnen sind. Als Beispiel wird schließlich das Konzept einer Anstalt öffentlichen Rechts der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ untersucht.